Es kann abgefertigt werden

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Die morgendliche Versammlung der Flughafenmitarbeiter hat wie üblich mit einer kleinen Verspätung begonnen. Der Vorsitzende fragt in die Runde: Also, wer kümmert sich heute um die Gepäckverladung? Es melden sich gleich zwei junge Männer, die offensichtlich in jeder freien Minute im Fitness-Studio ihre Muckis pumpen. Ein dritter, wesentlich schmächtiger gebauter Kollege hebt auch die Hand. Ob das denn wirklich die richtige Aufgabe für ihn sei, wird gemurmelt. Klar, immerhin arbeite er jetzt schon seit 2 Jahren als Shuttlebusfahrer hier und hätte schon oft genug beobachtet, wie das mit den Koffern abzulaufen hat. Wegen der mangelnden Fitness meine man ja nur… Er werde das schon schaffen, gibt er zurück und notfalls seien ja auch die anderen beiden vor Ort und könnten ihm gegebenenfalls die ganz schweren Koffer abnehmen. Damit wäre dieser Punkt dann schon mal geklärt. Gut, dass sich da jetzt so schnell Freiwillige gefunden haben. 
Als nächstes werden die Posten am Check-In verteilt. Hier treten gleich weitaus mehr Leute vor als nötig.Ist ja gut bezahltes Geld, das man so bekommt, um ein paar Stunden am Schalter zu sitzen und Passagierdaten einzugeben. Eine Auswahl muss getroffen werden. Verschiedene Sprachen sollte man eigentlich schon beherrschen, ist die Aussage vom Chef, um den Ansturm etwas einzudämmen. „Also mit Englisch und Spanisch kommt man ja immer durch. Das sprechen ja die meisten Passagiere. Außerdem tippe ich im 10-Finger-System und kann somit in kürzerer Zeit viel mehr Check-ins abwickeln als meine Adler-Such-System-Kollegen“ Sagt einer der Aspiranten. Ja, das sei natürlich ein Argument, das zum agileren Ablauf beträgt. Er wird also direkt für die Aufgabe notiert und soll einfach aus den anderen Freiwilligen kurz die bestgeeignetsten aussuchen. Durch die langjährige Zeit am Flughafen kenne man sich ja mittlerweile doch auch ein bisschen und wüsste um die jeweiligen Stärken, die nützlich für den Job seien.

Damit also zum Kabinenpersonal. Die verbleibenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schauen verstohlen vor sich auf den Platz. Keiner meldet sich. „Na kommen Sie schon, wir brauchen für den Flug heute mindestens fünf. Frau Keller, Sie könnten das zum Beispiel mal machen, sie haben ja auch schon im Duty-Free gearbeitet. Das hat doch immer gut geklappt. Sie haben auch immer so einen guten Draht zu den Fluggästen mit ihrem adretten und selbstbewussten Auftreten.“ „Naja, eigentlich habe ich keine große Lust auf Kabinenservice, vor allem jetzt, mit den ganzen Gewinnspielen und zollfreien Waren, die an den Mann gebracht werden sollen.“ – „Ah, ja, das ist ein gutes Stichwort, denken Sie bitte alle an die Mindestverkaufszahl, die sie auf dem Flug erreichen sollten. Um diese scheinbar bei vielen verhasste Aufgabe etwas attraktiver für Sie zu gestalten, haben wir uns überlegt, dass das Kabinenpersonal eine Bonuszahlung erhalten wird. In Abhängigkeit vom Umsatz, den man jeweils An Bord generiert.“ Fünf Hände fahren in die Luft. „Sehen Sie, jetzt müssen Sie ja gar nicht ran, Frau Keller. Dann könnten Sie  auf diesem Flug mal Co-Pilotin sein. Das haben Sie doch noch nicht ausprobiert, oder?“ – Super, meint Frau Keller, ja, das traue Sie sich zu. Sie habe sich in letzter Zeit auch öfter mit dem Thema auseinander gesetzt, weil Sie ja im Aufenthaltsraum auch meistens mit den Co-Piloten redet und sich sogar jetzt schon das Handbuch mal angesehen hätte. Gut, dann wäre das auch geklärt, aber dann müsse man sehen, dass sich für heute ein Piloten oder eine Pilotin findet, die das schon mindestens einmal gemacht hat. Nur für den Fall, dass doch mal was wäre, damit man sich auch gegenseitig etwas unterstützen könne. Naja, im Normalfall passiert ja auch immer nichts.

Schön, dann solle sich der Rest wie immer auf die restlichen Bereiche Reinigung, technische Kontrolle und Tower verteilen. Wer nicht so zufrieden sei mit der Verteilung, fände sicher einen Weg des Ausgleichs, auch wenn es nur ein paar zusätzliche Urlaubstage seien.

Gut, dann sei man heute ja doch schneller durch mit der Tagesordnung als vorgesehen, das passe hervorragend, so bliebe jetzt doch noch etwas Zeit, noch kurz darüber abzustimmen, ob man die Verteilung in Zukunft nicht einfach über das Geschlecht und den Namen vornimmt, damit die Posten gleichmäßig nach weiblich, männlich und divers bzw. nach ethnischer Herkunft aufgeteilt werden.

Dann können jetzt die Passagiere abgefertigt werden.

Nicht so attraktiv der Gedanke, da einzusteigen, oder? Würde irgendjemand da einsteigen, wenn er die Wahl hätte? Wahrscheinlich eher nicht.
Da frage ich mich natürlich, warum es uns aber nichts ausmacht, dass scheinbar genau so alle Ministerien vergeben werden. Irgendwie ist kaum einer vom Fach, die Meisten erschrecken sich, wenn sie plötzlich Entscheidungen treffen müssen, die wichtig sind und auf jeden Fall sind alle immer vollkommen überarbeitet. Undenkbar in jedem anderen Berufsbereich. Normal in der Politik. Man kann sich darüber streiten, ob jeder Minister wirklich einen Doktortitel auf dem jeweiligen Gebiet braucht, aber ich finde, ein paar Grundvoraussetzungen könnten schon abgeklopft werden.

Fremdsprachenkenntnisse bei einer Außenministerin zum Beispiel. Es hat sich jüngst nämlich gezeigt, dass ein zweijähriges Auslandsstudium in England bei manchen Leuten nicht ausreicht, um hinterher Reden in einem akzeptablen Englisch abzulesen. Geschweige denn selbst zu verfassen. Von Staatsbesuchen mit echten und eventuell sogar spontanen Dialogen mal ganz abgesehen. Wenn doch von jedem Anwärter auf eine Position im Tourismussektor schon mindestens zwei Fremdsprachen verlangt werden, verstehe ich nicht, warum das bei einer Person, die ihr Land im Ausland repräsentiert nicht mindestens auch der Fall sein sollte. Ähnlich bei anderen Ministerposten. Wenn man natürlich durch die überdurchschnittliche Eignung für einen Bereich, den Mangel an Fähigkeiten in einem anderen wettmacht, wäre das ja durchaus vertretbar, wie bei anderen Berufen eben auch. Aber wenn man sich so umsieht, muss man ja leider feststellen, dass das eben normalerweise nicht der Fall ist.

– Also lässt sich ein weiterer Vergleich mit dem Flughafen-Bild ziehen: Wir Wähler können ebenfalls abgefertigt werden.

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